Ausgesetzte Gartenzwerge
Der
fünfzehnte Zwerg: Piraten in Griechenland oder ein verunglücktes Märchen


Es war einmal
eine kleine einsame unbewohnte Insel im griechischen Meer, auf der
wilde raubeinige Piraten...
OK, OK. So unbewohnt ist sie doch nicht. Aber es leben nur noch
drei Einwohner dort, also fast unbewohnt. Und so einsam ist es
auch nicht, sie hat einen Hafen
und die Distanz zur Nachbarinsel beträgt 150 Meter. Aber die wäre dann
unbewohnt, wenigstens. Die nächste bewohnte Insel liegt unglaubliche
600 Meter entfernt, also SEHR einsam. Aber klein ist sie, 1300 Meter
lang und 150m breit, und im griechischen Meer liegt sie auch. Also noch
einmal:
Es war einmal eine ziemlich kleine, nicht ganz einsame, nahezu
unbewohnte Insel im griechischen Meer...
Hört sich das sch... an! Mann, ist das schwer, heutzutage ein echtes
Märchen zu schreiben! Dabei bräuchten gerade unsere griechischen
Freunde in diesen Zeiten Geschichten zum Träumen. Die Realität ist ja
wohl eher ein Alptraum. Dabei hat die Finanzkrise noch keinen Griechen
dazu gebracht, unter schwarzer Flagge und mit Augenklappe andere
Schiffe zu kapern. Nicht einmal die Banken haben sie gekapert. Womit
wir wieder bei den Piraten wären.
Also gut, halten wir uns an die nüchterne Realität. Es gibt also diese
Insel, ab sofort mit EINEM EINWOHNER MEHR. Das ist eine Steigerung von
über 30%, was für ein Wachstum!! Um nicht aufzufallen, hat er sich
Insel typisch mit einer roten Kopfbedeckung getarnt und genießt die
Aussicht über den Hafen.
Der
vierzehnte Zwerg: Illuminierter Adventsblues

Vor den Toren der niederbayerischen Metropole - ja, so etwas gibt es,
auch wenn die Künstler es bis zu diesem Event selbst nicht vermutet
hatten - steht nun unser neuer Zwerg. Ein Aussetzungs-Event unter
Beteiligung zahlreicher Aktionskünstler hat ihn hierher geführt. Am
Fuße eines von der Natur schwer gebeutelten Marterls* mit Blick über
die
Lichter der Stadt steht er nun da als Verkörperung der Gebeutelten.
Wie schwer muss man es haben, tagein und tagaus unter einer roten
Zipfelmütze zu leben. Das muss fast so schrecklich sein wie mit roten
Socken. Und nun ist er auch noch ausgesetzt
bei Wind und Wetter, ohne Obdach in der winterlichen Dunkelheit, fern
der städtischen Zivilisation. Fast eine Weihnachtsgeschichte, oder?
Zum Trost wurde er mit zahlreichen Kerzen illuminiert. Von
wärmespendenden Flammen umrahmt, wünschen wir ihm, dass er an
diesem Ort gelebten bayerischen Volksglaubens einen dauerhaften Platz
findet. So leuchtet er
über Niederbayerns Metropole und spendet seinerseits mit
flackerndem Kerzenschein allen
Trost, die zu ihm hinauf sehen.
Und wer genau aufpasst, der kann ihn auch hören, wie er seinen
adventlichen Blues in die
Nacht hinaus bläst.
*das Marterl wurde bei einem Unwetter durch einen umstürzenden
Baum zerstört und erst kürzlich wieder aufgebaut.
Der
dreizehnte Zwerg: enfällt
Wir könnten es nicht verantworten,
wenn einer unserer kleinen Freunde durch die rein zufällige Zuordnung
zur Zahl 13 diskreditiert oder sonstwie ins Unglück gestürzt werden
würde.
Genau, wie es in manchen Gebäuden
kein 13. Stockwerk gibt, kann es auch keinen 13. Zwerg geben.
Selbstverständlich sind wir frei von jeglichem Aberglauben, aber sicher
ist sicher!
Der
zwölfte Zwerg: Indien liegt gleich bei Niederbayern
Unser zwölfter Zwerg ist eigentlich kein neuer Zwerg,
wir kennen ihn ja schon. Erst letztes Jahr wurde er als sechster Zwerg in Niederbayern eingeschult.
Nun hat er sich im Diplomatengepäck ins ferne Indien aufgemacht,
um dort als Botschafter für Gartenkultur akkreditiert zu werden. In
einem Park in Dehli hat er sich zu Füßen von nichts Geringerem als
einer indischen Gottheit niedergelassen. Als schulpflichtiger
Teenager-Zwerg im diplomatischen Korps will man ja schließlich hoch
hinaus.
Ob es mit der Akkreditierung letztendlich geklappt hat, ist uns leider
nicht bekannt.
Als Geheimbotschafter bleibt er jedoch auf alle Fälle vor Ort, um den
Menschen fern von Europa ein leuchtendes Beispiel für ausgefeilte
avantgardistische Kunst in deutschen Kleingärten zu sein.
Der
elfte Zwerg: Der Fake im Garten
Alles neu macht der Mai, so heißt es. Aber
bitte, nicht nur der Mai, die Landesgartenschau tut es auch. Für die Gartenschau wurde kräftig
gebuddelt und alte, zugepflasterte Wasserläufe entstanden neu in der
Stadt. Rosenheim wird neu
alt, back to the roots, sozusagen. Eine nette Idee!
So auch hier im Riedergarten, an dem einst ein munteres Bächlein floss.
Aber halt, es ist nur eine Schau, nicht vergessen. Also legen wir der
Einfachheit halber nicht das alte Bächlein frei, sondern ergötzen uns
an einer hübschen, mit dem Lineal gezogenen, pflegeleichten Betonrinne.
Dieses Kunstwerk ist
garantiert Hochwasser sicher. Symbolisch
deuten wir das Wasser an, wenige Zentimeter Tiefe sind Tiefgang genug.
Es ist nur eine Schau, ein Fake, den Rosenheimern reichts.
So steht unser Zwerg am gefakten Bach unterm Rosenbeet und stellt
idyllische städtische Beschaulichkeit zur Schau. Nur symbolisch, als
Fake, versteht sich.
Der
zehnte Zwerg: Aphrodite mit dem Erdbeerhut

Eine Sensation in der Welt der Archäologie!
Nach über zweitausend Jahren wurde die berühmte Aphrodite von Knidos wiedergefunden.
Nun müssen die einschlägigen Bücher umgeschrieben werden. Was bisher
stets spöttisch belächelte Querdenker immer
vermutet hatten, ist jetzt bewiesen. Praxiteles hat mitnichten die
erste nackte Frauenstatue der Antike geschaffen. Die Aphrodite war
vollständig bekleidet und trug sogar einen Erdbeerhut. Sämtliche
existierende Kopien entspringen offenbar der reinen Phantasie ihrer
Bildhauer.
Zwischen den Ruinen von Knidos
soll ebenfalls ein weiblicher Gartenzwerg gesichtet worden sein, was
wir allerdings anzweifeln. Wie sollte sich ein Gartenzwerg in die
Türkei verirren? Außerdem sind Gartenzwerge doch typisch männlich.
Warum? Wahrscheinlich, weil nur Männer bereit wären, dämliche rote
Zipfelmützen als Modetrend zu akzeptieren. Oder haben wir es mit einer Quotenzwergin zu
tun?
Wurde die Initiative unserer geschätzten Familienministerin für
Frauenquote im höheren Management schon umgesetzt? Gibt es
überhaupt eine Frauenquote in der Türkei? Fragen über Fragen tun sich
auf. Wir halten dies alles doch für sehr abwegig. Deshalb: Kein
Gartenzwerg in Knidos,
das muss ein Gerücht sein.
Der
neunte Zwerg: Ein Zwerg wird adelig

Nach so viel schwer verdaulicher
Literatur steht unserem Zwerg der Sinn nach leichteren bacchantischen
Genüssen.
Im schönen Montepulciano
hat er sich still und leise in den tiefen Keller zwischen die dicken
Eichenfässer einer Cantina geschlichen. Dort, wo unter der Erde in
finsteren Gewölben ein neuer Jahrgang des Vino Nobile di Montepulciano
reifen darf, bevor er das Licht dieser Welt erblickt, darf nun auch
unser Zwerg zur Reife gelangen. Beobachten wir dieses spannende
Experiment. Wird er den, zugegeben überaus köstlichen, Gaumengenüssen
erliegen und als bedauernswerter Alkoholiker enden? Oder genügt ihm der
kühle fruchtige Duft der gährenden Trauben und er widersteht der ihn
umgebenden Hektoliter Versuchung?
Hoffen wir darauf, dass auch er als Edler wieder zum Vorschein kommt.
Der
achte Zwerg: Literarischer Grenzgänger

Ein wenig verloren steht unser Sommerfrischler am Trainsjoch, einem
Grenzberg zwischen Bayern und Tirol nahe Kufstein.
Fast erdrückt von der kraftvoll wuchernden Natur blickt er fern von
oben auf Tarrol hinunter. Unschlüssig, nach der abschreckenden Lektüre
Schluiferers, die Grenze ins Tarrolische zu überschreiten, zaudert er
auf halben Wege.
Wie Fern von Europa können einzelne Regionen sein oder von uns dazu
gemacht werden? Und reicht dazu der Bewohner an sich, wie der Tarrola
bei Schluiferer, oder braucht es gar Schlimmeres? Etwa dass die
tägliche Siesta mehr Wert hat als die täglichen Überstunden? Welch
finanzpolitischer Blindflug!
Wie Carl Techet, welcher selbst sowie sein Werk vor hundert Jahren vom
Volkszorn aus Tirol entfernt wurden, steht auch sein später Leser nun
heimatlos im Grünen.
"Glücklicherweise" wäre heute
eine
solche "Schmähschrit" dank political correctness nicht mehr möglich,
der Autor würde als facebook-Terrorist international korrekt fertig
gemacht. Wer
weiß, vielleicht würden sogar Botschaften brennen.
Wer sich für die satirische
Vorlage interessiert, dem sei der Volltext empfohlen:
Sepp
Schluiferer alias Carl Techet, Fern von Europa, Tirol ohne Maske, Kurze
Geschichten aus finsteren Breiten, München 1909